Den Wannsee im Südwesten Berlins kennt man aus dem Geschichtsunterricht – und von Conny Froboess‘ erstem Hit 1951: „Pack die Badehose ein“. Der Müggelsee im Osten der Stadt ist Besuchern viel weniger bekannt. Dabei bietet er viele gute Gründe, ihn zu entdecken – und einige wirklich einsame Stellplätze.
Der Große Müggelsee östlich und damit spree-aufwärts von Köpenick ist mit über 7,4 km² der größte Berliner See. Spätestens seit 1930 das bis heute bestehende Strandbad Müggelsee erbaut wurde, hat der See nicht nur als Naherholungsgebiet für die umliegenden Orte, sondern auch für Ausflügler aus dem Stadtzentrum eine hohe Bedeutung.
Erkunden lässt sich der See am besten von einem der schön gelegenen Stellplätze aus bei einer Radtour. Wir haben die Runde von Süden her begonnen, wo die meisten Stellplätze liegen, und fahren gegen den Uhrzeigersinn. Natürlich kann man einsteigen, wo man will, und selbstverständlich auch andersherum fahren. Fahren Sie also zunächst von Ihrem Stellplatz aus in Richtung der Köpenicker Altstadt. Lassen Sie sich von einigen Plattenbauten-Siedlungen im Wald nicht irritieren, die verschwinden im Laufe der Tour wieder.
Ihr Schloss nennen die Köpenicker „Wasserschloss“, weil es idyllisch auf einer Insel in der Dahme liegt, nur wenig südlich von deren Mündung in die Spree. Es ist das einzige im Originalzustand erhaltende Barockschloss Berlins – wenn man die teilweise Wiederherstellung des Stadtschlosses in Mitte nicht als originalen Barock durchgehen lässt. Genauso wie am anderen Ende Berlins, waren die ersten, die sich in der Gegend niederließen, im 8. Jahrhundert Slawen, die in Spandau wie in Köpenick Burgen bauten. Mitte des 13. Jahrhunderts vertrieben die Askanier die Slawen und gründeten an der Spee die beiden Städte Berlin und Cölln. In Köpenick ließ 1558 Kurfürst Joachim II von Brandenburg auf der früheren Burginsel ein Jagdschloss im Stil der Renaissance errichten. Das erhielt mehr als hundert Jahre später der noch zu krönende König Friedrich I zum Bau seines Kurprinzenschlosses. Das Renaissanceschloss wurde abgerissen und an seiner Stelle ein barocker Neubau errichtet. Der italienische Stuckateur Giovanni Caroveri erschuf in Köpenick eine nördlich der Alpen bis dahin ungesehene Stuckarbeit. Friedrich bewohnte das Schloss mit seiner Frau Elisabeth Henriette nur für kurze Zeit, da diese jung verstarb. Mit der zweiten Heirat des Kurprinzen verlor das Köpenicker Schloss den Status der Sommerresidenz an das neue Schloss in Charlottenburg.
Ins Zentrum der Politik – oder besser der Familienpolitik – rückte das Schloss 1730 noch einmal kurz, als das preußische Kriegsgericht hier tagte. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hielt seinen Sohn, den späteren Friedrich den Großen, für verweichlicht und klagte ihn der Fahnenflucht an. Der Kronprinz wurde tatsächlich verurteilt und in die nicht weit entfernte Festung Küstrin an der Oder gesperrt.
Einmal das Rad über die breite Straße geschoben, steht man fast schon am wahrscheinlich berühmtesten Rathaus Deutschlands. Dazu hat es wohl vor allem Heinz Rühmann gemacht, der 1956 Carl Zuckmayers sozial- und obrigkeitskritisches Drama über den Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt aus dem Jahr 1931 nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal – aber vielleicht am rührendsten verfilmte. Die interessante Ausstellung im Rathaus zeigt Hintergründe der tatsächlichen Köpenickiade und präsentiert den flächenmäßig größten Berliner Bezirk. Das imposante Rathaus, ab 1901 im Stil der märkischen Backsteingotik errichtet, ist ein beliebtes Fotomotiv.
Von Köpenick radeln Sie am Nordufer der Spree in östlicher Richtung und erreiche in Kürze den Bootsverleih Spreepoint, der führerscheinfreie und -pflichtige Motorboote, Elektroboote, Grillboote, Kajaks und Segelboote vermietet.
Weiter entlang der Spree geht es nach Friedrichshagen. In der Villenkolonie des 19. Jahrhunderts wohnten viele Künstler in herrschaftlichen Altbauten, von denen heute über hundert unter Denkmalschutz stehen und bis heute viele Ateliers und Galerien beherbergen. Der Mittelpunkt des Orts ist in Nord-Süd-Richtung die Bölschestraße mit repräsentativen Häusern aus zwei Jahrhunderten, Geschäften und Gastronomie. Ganz am südlichen Ende können Sie im sympathischen Bräustübl einkehren. Das direkt daneben liegende Berliner Bürgerbräu war bis zur Schließung im Jahr 2010 nicht nur die älteste Brauerei Berlins, sondern nach Meinung vieler Kenner auch die beste. Ein Teil der Brauereigebäude wurde in ein Museum umgewandelt, aber ein geplantes Craft-Beer-Projekt hat es über seinen Plan noch nicht hinausgebracht.
Eine Besonderheit in Friedrichshagen ist der Spreetunnel aus den 1920er Jahren, der Fußgängern achteinhalb Meter unter der Wasseroberfläche das Unterqueren der Spree ermöglicht. Anlass für den Tunnel war der wachsende Ausflugsverkehr der Hauptstädter in den Goldenen Zwanzigern, die von Friedrichshagen mit einer Fähre übersetzten und deren Kapazität heillos überforderten. Weil eine Brücke die Schifffahrt beeinträchtigt hätte, erhielt nach der Themse in London und der Elbe in Hamburg auch die Spree am Ausfluss des Müggelsees einen insgesamt 120 Meter langen Fußgängertunnel. Als er 1927 fertiggestellt wurde, galt der erste Tunnel aus Stahlbeton, der in Senkkasten-Bauweise realisiert worden war, als ein in Deutschland sensationelles Bauwerk.
Mehr Informationen zum Spreetunnel
Schieben Sie Ihr Rad durch den Tunnel und halten Sie sich dann links, immer am Ufer des Müggelsees entlang. Sie kommen am empfehlenswerten Ausflugslokal Rübezahl mit seinem Abenteuerspielplatz für Kinder vorbei sowie an der Anlegestelle der Schifffahrt. Am Kleinen Müggelsee passieren Sie einen sehr schönen Bade-Sandstrand, gut wenn Sie Badehose oder -anzug dabei haben. Kurz darauf erreichen Sie die idyllisch gelegene Siedlung Neu-Venedig. Hier verzweigt sich die Müggelspree in 5 Kanäle, über die 13 Brücken führen. Es ist sicher einer der am wenigsten bekannten und wohl eher untypischen Orte der Hauptstadt – aber gerade diese Eigenschaften suchen Sie ja auf dieser Tour. Die Siedlung kann mit Kanus oder kleinen Booten befahren werden, aber auch vom Fahrrad aus werden sie ihren Zauber erleben. Die Geschichte Neu-Venedigs begann 1890 mit dem Verkauf zweier landwirtschaftlicher Güter an die Stadt Köpenick. Dazu gehörten auch sumpfigen Spreewiesen. Ab 1926 wurden Kanäle durch den Sumpf angelegt und an ihnen entlang die Siedlung errichtet. Insgesamt entstanden 374 Wassergrundstücke, heute sind es sogar 450. Am Rand wurden kleine Villen gebaut und im Innenring der Freizeitkolonie Sommerhäuser gebaut. Nach dem Mauerbau 1961 pachten Honoratioren der DDR Grundstücke der nun ausgesperrten Westberliner. Neu-Venedig wurde eine beliebte Gegend für die so genannten Datschen – eingedeutscht aus russisch да́ча, datscha – also kleine Wochenendhäuschen. Später gingen die Grundstücke wieder an die früheren Eigentümer zurück. Die Gaststätte, die so heißt wie der Ortsteil selbst, bietet im Finkenweg einen schönen großen Biergarten, der direkt am Wasser liegt.
Halten Sie sich in Neu-Venedig rechts, Richtung Süden, so erreichen Sie Müggelheim. Fahren Sie durch den Ort geradeaus hindurch. Sie erreichen etwas linker Hand einen Arm der Dahme, die Große Krampe. Bleiben Sie südwärts immer am Uferweg. Wo Sie den Hauptfluss erreichen, folgen Sie dem Weg scharf rechts und damit der Dahme flussabwärts. Etwa 500 Meter nach dem Badestrand müssen Sie den Weg rechts hinein in den Wald einschlagen, der Sie direkt zum Müggelturm führt.
Der Müggelturm inmitten der so genannten Müggelberge ist ein beliebtes Ausflugsziel. Von der Aussichtsplattform in 30 Meter Höhe haben Sie einen tollen Panoramablick über den Großen Müggelsee und die dichten Wälder. In der Ferne im Westen sehen Sie das Berliner Stadtzentrum, im Südosten den Spreewald. Der Aussichtsturm wurde 1889 gebaut und 1961 nach einem Brand neu errichtet. Nach vierjähriger Sanierung ist er erst 2018 wiedereröffnet worden. Der Aufstieg über 126 Stufen ist an allen Tagen von 10 – 16 Uhr möglich. Kleine Speisen und Getränke gibt es unten auf einer Terrasse.
Der Müggelturm befindet sich inmitten eines naturbelassenen Naherholungsgebietes. Unser Tipp: Gehen Sie den drei Kilometer langen Naturlehrpfad rund um den Teufelsee – und bestaunen Sie nicht nur Fauna und Flora, sondern auch die Biker auf Berlins einziger offizieller Downhill-Strecke.
Mehr Informationen zum Müggelturm
Vom Müggelturm fahren Sie über den Teufelsee in nord-westlicher Richtung durch den Wald, bis Sie wieder den Spreetunnel nach Friedrichshagen erreichen. Vor dem Tunnel biegen Sie links ab und fahren zunächst am Wasser, später im Wald zurück nach Köpenick – oder Sie haben diese Etappe schon hinter sich und kehren nach dem Besuch des Müggelturms zurück zu Ihrem Stellplatz.
Parkplatz am Ufer des Seddinsees
Parkplatz am Müggelsee
Waldparkplatz am Müggelturm
Waldparkplatz an der Dahme
Stellplatz am Yachthafen Wendenschloss
Quelle & weitere Informationen:
https://www.visitberlin.de
Text: Gerd Henghuber
Und dann noch ein janz jeheimer Tipp für Großstadt-Muffel in Berlin: Im Osten der Stadt gibt es noch weitere Dörfer zu entdecken, wenn auch einige davon sich im Laufe der Geschichte zu Trabantenstädten entwickelt haben. Dörfer sind sie irgendwie doch geblieben. Deshalb führt die sehr interessante Fünf-Dörfer-Tour durch den Bezirk Hellersdorf-Marzahn. Jenseits der Plattenbauviertel wird es ländlich, dörflich und sogar bergig. Zwischen Verkehrsknotenpunkten und Gewerbeparks verstecken sich viele kleine Oasen. Im Schatten der Hochhäuser schlummern historische Dorfanger, Gutshäuser, Kirchen und eine Bockwindmühle.
Weitere Touren mit dem Fahrrad
Weitere elf Radtouren in und um Berlin hat die Tourismuszentrale der Stadt zusammengestellt, Sie finden Sie hier.